Was ist die Filterblase?

Kategorie: Internet und Gesellschaft

Der Begriff Filterblase geht auf Eli Pariser und sein Buch The Filter Bubble: What the Internet is Hiding from You zurück. Pariser war auf Facebook etwa zur Hälfte mit liberalen und zur anderen Hälfte mit politisch konservativen Menschen befreundet. Nach einiger Zeit machte er jedoch eine erstaunliche Entdeckung.

Facebook zeigte ihm überwiegend die Beiträge seiner liberalen Freunde an. Konservative Meinungen verschwanden fast vollständig aus seiner Timeline. Das lag vermutlich daran, dass Pariser nahezu ausschließlich die Beiträge seiner liberalen Freunde teilte oder empfahl. Der Facebook Algorithmus sortierte die Beiträge seiner konservativen Freunde aus.

Zeigt Facebook beispielsweise 50 Beiträge von Freund F an und der User klickt niemals auf eine dieser Empfehlungen. Dann nehmen Fachleute nach der Filterblasen-Theorie an, dass der Algorithmus diesen Freund F aus der Timeline entfernt. Facebook ist, ebenso wie Google, bestrebt nur für den User relevante Inhalte anzuzeigen. Dadurch bildet sich eine sogenannte Filterblase. Der User bekommt nur das zu sehen, was seine ohnehin schon vorhandene Meinung bestärkt. Abweichende Meinungen tauchen für ihn nicht mehr auf.

Infografik: Was ist die Filterblase?

Inhalt

 

Personalisierte Suche

Ebenso wie die Facebook Timeline sind die Suchergebnisse bei Google personalisiert. Für die gleiche Suchanfrage bekommt User A andere Ergebnisse als User B angezeigt.

Die Suchergebnisse hängen davon ab, wo sich die User befindet. Außerdem beeinflussen die vorherigen Suchanfragen das aktuelle Suchergebnis.

Angenommen User A ist ein leidenschaftlicher Autoliebhaber und User B ein passionierter Golfspieler. Beide suchten in der Vergangenheit nach Informationen zu ihrem Hobby. Die Suchergebnisse für den Suchbegriff Golf unterscheiden sich dann erheblich. Nach der Sucheingabe „Golf“ sieht A nun überwiegend Autoergebnisse und für B erscheinen Infos zur gleichnamigen Sportart.

User A wohnt in Hannover und User B in München. Suchen sie jeweils nach „Restaurant“ zeigt Google für A Restaraunts in Hannover und für B in der bayerischen Landeshauptstadt an.

Die Personalisierung der Suchergebnisse bietet auch Vorteile. Der Suchende spart Zeit. Die Suchmaschine kennt bereits seine Vorlieben und bietet ihm daraus abgeleitet ähnliche Ergebnisse an. Der Autoliebhaber freut sich über passende Infos, da ihn der Golfsport nicht interessiert.

Infografik: Personalisierte Suche

 

Gefahren der Filterblase

Erhält die eigene Meinung fortlaufend Bestätigung, verengt sich die Sicht auf die Dinge. Die Beschäftigung mit gegensätzlichen Meinungen entfällt. Andere Lösungsansätze für Probleme finden keine Berücksichtigung. Der User lebt in seiner abgeschlossenen Welt. Die eigenen Ansichten finden keinen Widerspruch, nur Wiederholung (Echokamer). Die Menschen denken, dass die eigene Meinung der Mehrheitsmeinung entspricht.

Studien zu Filterblasen

Der Forscher Eytan Bakshy kam zu dem Ergebnis, dass die Entscheidungen der Nutzer wichtiger als der Algorithmus von Facebook sind. Die Nutzer bestimmen durch ihr Klickverhalten, welche Inhalte ihnen Facebook zeigt und sind nicht vom Algorithmus abhängig.

Seth Flaxman stellte in seiner Studie keinen negativen Einfluss von Algorithmen auf die Ausbildung von ausgewogenen Meinungen fest. Der Wissenschaftler fand keine Nachweise für eine Radikalisierung der ohnehin schon vorhandenen Einstellungen. Die User besuchen meist direkt die Nachrichtenseiten, die sie interessieren, ohne sich auf die Auswahl der Algorithmen zu verlassen.

Wissenschaftler der Universitäten Mainz, Hohenheim und Köln bezweifelten in einer Untersuchung Anfang 2020 die Bildung von Filterblasen. Die Analyse des Verhaltens von über 5000 Internetnutzern ergab, dass soziale Netzwerke und Suchmaschinen bestehende politische Meinungen nicht zwangsläufig verfestigen. Aus mehr Besuchen bei Google oder Facebook folgen auch mehr Kontakte mit zufällig angezeigten aktuellen Meldungen aus unterschiedlichen Quellen. Die von den Usern nicht bewusst angesteuerten Nachrichten sorgen so für einen umfassenden Einblick über das gesamte Spektrum der Meinungen.

Fachleute des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der Universität Amsterdam veröffentlichten im November 2020 die Ergebnisse einer Studie. Demnach gewichten Menschen ihre eigenen Überzeugungen höher als die Meinungen anderer. Schnell ignorieren User Gegenargumente. Die ständige Interaktion mit Gleichgesinnten in den sozialen Medien verstärkt die eigenen Ansichten. Die Wahrscheinlichkeit extremer Einstellungen und eines beschränkten Weltbildes steigt. Daraus folgt eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft.

Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung:
Algorithmen in digitalen Medien und ihr Einfluss auf die Meinungsbildung (11.11.2022):
Algorithmen üben Einfluss auf die Meinungsbildung aus. Dabei hängt es vom Nutzerverhalten und den genutzten Medien ab, wie stark sich dieser Einfluss auswirkt. Fachleute unterscheiden dabei zwischen 3 verschiedenen Wirkungsweisen:

  1. Agendasetting
  2. Wissensvermittlung
  3. Meinungsvermittlung

Agendasetting Filterblasen

Kommen User auf Social Media mit politischen Themen in Berührung, erhöht sich für sie die Wichtigkeit dieser Themen. Die Themenwahrnehmung ändert sich nur geringfügig, oftmals besteht eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den auf Social Media und in den Massenmedien gerade diskutierten Themen. Allerdings vergrößert die überdurchschnittliche Nutzung von personalisierten Social Media Kanälen zur Informationsgewinnung das Themenspektrum. In Suchmaschinen nehmen User meist nur die gut gerankten Inhalte wahr und in den sozialen Medien erfolgt oft nur eine kurze Zusammenfassung der Themen. Dadurch bleiben die Informationen meist nur oberflächlich. Personen mit hohem Social Media Konsum nehmen die gesellschaftlichen Mehrheitsverhältnisse vermehrt verzerrt war und halten ihre Meinung für die vorherrschende. Sie befinden sich in dann ihrer persönlichen Filterblase, abweichende Meinungen kommen kaum vor. Die Bedeutung von Filterblasen für die Meinungsbildung ist empirisch nicht belegbar. Zunehmende politische Polarisierung in zahlreichen Ländern ist eher das Resultat der persönliche Auswahl der genutzten Medien als durch Algorithmen bedingt. Indizien sprechen allerdings dafür, dass beispielsweise Twitter die Radikalisierung bestimmter Nutzergruppen begünstigt.

Infografik: Studien zu Filterblasen

Begünstigt ChatGPT die Bildung von Filterblasen?

Die Antworten eines KI-Chatbots sind von den Daten abhängig, mit denen er trainiert wurde. Die Aktualität und die Art der Daten beeinflussen dabei die Ergebnisse.

Auf eine Frage an ChatGPT erhält der User eine eindeutige Antwort. In Suchmaschinen gibt es meist 10 Antworten zur Auswahl, die Nutzer haben die Möglichkeit verschiedene Ansichten kennenzulernen und die für sie passende Antwort auszuwählen. Somit begünstigen Chatbot die Bildung von Filterblasen. Schließlich beschränkt die eine vorgegebene Lösung den Horizont und schliesst mögliche Alternativen aus.

Außerdem glauben viele Menschen den Antworten von ChatGPT, obwohl die KI selbst vor der Nutzung auf mögliche Fehler hinweist. Besonders bei moralischen Fragen ist somit Vorsicht geboten,
die Manipulierbarkeit der Menschen durch maschinell erzeugte Antworten ist erstaunlich groß. In einer am erschienenen Studie wiesen Forscher nach, dass User sich erschreckend leicht in ihren Meinungen durch ChatGPT beeinflussen lassen.

Die enorme Leistungsfähigkeit der Large Language Models schützt dabei nicht vor Einseitigkeit der generierten Antworten. Viele Fachleute befürchten, dass ChatGPT immer mehr Internet-Texte generiert und in einigen Jahren der große Teil des Internets nur noch aus automatisch generierten Texten besteht. Diese Inhalte werden dann wiederum zum Training von ChatGPT verwendet. Eine Filterblase entsteht, die Maschine erhält dann viel selbst erstellten und wenig externen Input.

Gab es schon immer Filterblasen?

Es gab und gibt auch in der analogen Welt Filterblasen. Jeder Mensch hat seinen individuellen Freundeskreis und ist in Vereinen, Parteien und Verbänden organisiert. Er trifft sich mit Menschen seiner Altersgruppe, seiner Gehaltsklasse, seiner Nationalität oder seiner Religion. Die Filterblase ist somit kein internetspezifisches, sondern ein menschliches Problem. Ist der Freundeskreis im realen Leben sehr homogen, dann ist er es vermutlich auch in den sozialen Medien. Liest ein Bürger nur eine Zeitung, schaut er einen Fernsehsender und hört er immer das gleiche Radioprogramm, dann befindet er sich, auch ganz ohne Internet, in einer Filterblase.

Die Vielfalt der Medien ist groß. Erweitern Sie Ihren Horizont und betrachten Sie ein Problem aus mehreren Blickwinkeln. So bekommen Sie Verständnis für andere Meinungen. Die ausschließliche Information über Empfehlungen seines Freundeskreis in den sozialen Medien beschränkt das Weltbild. Das Verlassen der Echokammer stellt kein Problem dar.

Die Filterblase verlassen

Befolgen Sie folgende Tipps, um Ihre Filterblase zu verlassen:

  • Freunden Sie sich mit Menschen anderer Meinung an.
  • Folgen Sie Parteien oder Zeitungen mit verschiedenen politischen Ausrichtungen.
  • Informieren Sie sich auf unterschiedlichen Websites über das Weltgeschehen.
  • Konsumieren Sie analoge Medien (Fernsehen, Radio, Printmedien).
  • Löschen Sie bei Google vergangene Suchanfragen und schalten Sie die personalisierte Suche ab.
  • Nutzen Sie alternative Suchmaschinen wie DuckDuckGo, Startpage oder Swisscows. Diese Suchmaschinen speichern keine IPs und tracken keine Suchverläufe. Die Suchergebnisse sind somit völlig neutral.

Verwandte Beiträge

ChatGPT Vorgänger: Geschichte der Chatbots

ChatGPT bestimmt die Schlagzeilen. Der moderne Chatbot gibt auf Fragen (in vielen Fällen) sinnvolle Antworten und schreibt (meist) gute Texte. Dabei bestimmt die Art der Eingabe (durch den Menschen) die

Kurze Geschichte des Internets

Heutzutage bewegen wir uns wie selbstverständlich im Internet, doch wie kam es dazu,  dass wir Internetseiten bequem im Browser (Browser Erklärung) betrachten können? 1957 gelangte der Satellit Sputnik ins All.

Was ist Big Data? Eine Erklärung für Anfänger

Sind Datenmengen zu groß und zu kompliziert, um sie mit einfachen Methoden auszuwerten, nennen Fachleute diese Massendaten Big Data. Die Daten zeichnen sich durch ihre große Masse, die hohe Geschwindigkeit

Was ist Browser Fingerprinting bzw. der digitale Fingerabdruck?

Auch ohne Cookies hinterlassen Sie im Internet Spuren, mit denen Unternehmen Sie identifizieren. Der Browser speichert durch den sogenannten digitalen Fingerabdruck zahlreiche Informationen über Sie. Sobald eine Verbindung zum Internet

Clickbait einfach erklärt

Der User klickt auf die Überschrift, sieht den Text und findet die in der Headline versprochenen Informationen nicht. Ein Fall von Clickbait. Reißerische Überschriften ködern (to bait) die Nutzer und